Wenn unsere Welt wackelt...

Eigentlich wollte ich einen Beitrag über Veränderung und Neuanfang schreiben – passend zum Frühjahr, zum Beginn des neuen Semesters, zur Saison der guten Vorsätze also. Zu den Wünschen und Ängsten, die mit Veränderungen verbunden sind. Zu den erstaunlichen Schwierigkeiten, die wir oft damit haben, unser Leben aktiv zu gestalten, obwohl uns doch alle Möglichkeiten zur freien Verfügung stehen. Zu Ansätzen, wie bewusste Veränderung gelingen kann.

Und dann, ganz plötzlich, passt das Thema nicht mehr. Die Welt, Ihre, meine, unsere gemeinsame Welt, wackelt – schon wieder.

Die Pandemie war schlimm genug, aber wir hatten den Eindruck, langsam einen guten Umgang mit dem Virus finden zu können. Und mitten im noch vorsichtigen Aufatmen trifft uns die nächste Katastrophe, der Krieg in der Ukraine – mit noch unabsehbaren Folgen für die Welt, in der wir leben.

Wir sind in unterschiedlichem Ausmaß persönlich betroffen, aber gemeinsam ist uns die Verunsicherung durch die Ereignisse. Scheinbar von einem Tag auf den anderen ist wieder alles anders. Pläne, Perspektiven ändern sich in unglaublichem Tempo. Nichts scheint mehr sicher. Die großen Zusammenhänge wirken so massiv in unsere persönlichen Strukturen herein, dass alles in Frage gestellt wird. Kann ich überhaupt noch davon ausgehen, dass…?

Veränderungen sind für die meisten Menschen schwierig – schon, wenn sie eher geringfügig und selbstgewählt sind, müssen sie behutsam geschehen, um akzeptiert werden zu können. Aber wirklich schlimm wird es, wenn wir keinen Einfluss haben, wenn uns das Weltgeschehen überrollt und mitnimmt. Samt unseren Plänen und Wünschen.

In den letzten beiden Jahren waren wir immer wieder damit konfrontiert, dass wir äußeren Einflüssen ausgesetzt sind, die ganz plötzlich und radikal unser Leben verändern können. Veränderungen, die die Prioritäten verschieben, die vor Kurzem noch wichtige Fragen rund um die Optimierung unsere Lebensumstände und unserer Person mit einem Mal ganz klein und unwichtig erscheinen lassen.

Wir spüren mit Unruhe, dass wir keine Wahl haben, dass wir uns verändern müssen. Akzeptieren müssen, dass unsere Welt immer wieder wackeln wird. Öfter, als wir es vermutet haben und viel öfter als wir es uns wünschen. Wir müssen lernen, mit Instabilität umzugehen. In größeren Zusammenhängen denken. Unsere Widerstandskraft stärken. Flexibler werden. Unser Selbstvertrauen wachsen lassen. Unsere Beziehungen pflegen. Bewusster mit den Kostbarkeiten umgehen, die uns so selbstverständlich Tag für Tag zur Verfügung stehen.

Das Positive ist: Veränderungen machen uns Angst – aber wir haben unglaublich große Ressourcen, wenn es um Anpassung geht. Das ist etwas, worauf wir vertrauen können.

Diese Anpassung an neue Situationen geschieht als Wachstumsprozess zu einem großen Teil ohne bewusstes Zutun – aber wir können diese Entwicklung fördern und Vieles zu einer positiven Entwicklung beitragen. In aufwühlenden Zeiten vergisst man leicht darauf, auf sich selbst, die eigene Gesundheit zu achten – physisch und psychisch - aber es ist jetzt besonders wichtig:

Lassen Sie die Trauer über den Verlust an Sicherheit zu, auch Ängste sind natürliche Reaktionen auf erschütternde Ereignisse und massive Veränderungen.

Lassen Sie sich nicht weismachen, mit Ihnen sei etwas nicht in Ordnung, wenn Sie emotional auf Veränderungen reagieren – das ist ein ganz natürlicher und notwendiger Prozess, der Sie auf die Bewältigung vorbereitet.

Pflegen Sie Ihre Beziehungen, sprechen Sie über Ihre Sorgen – allein der Austausch entlastet, es müssen nicht immer gleich Lösungen gefunden werden. Strukturieren Sie Ihren Umgang mit Medien.

Verhindern Sie, dass ständig Meldungen auf Sie einprasseln. Wenige, vertrauenswürdige Kanäle sind genug. Legen Sie für sich Zeiten fest, zu denen Sie sich über den aktuellen Stand informieren.

Machen Sie sich bewusst, was Sie in Ihrem Leben schon überstanden und geschafft haben. Sehr oft nehmen wir als etwas Selbstverständliches an, was uns in Wahrheit auszeichnet.

Machen Sie sich bewusst, dass viele Ressourcen erst aktiviert werden, wenn Sie sie wirklich brauchen. Was auch immer auf Sie zukommen mag – Sie werden Wege finden, damit umzugehen.

Vertrauen Sie auf eine grundlegende menschliche Eigenschaft: Ihre Fähigkeit, sich Neuem anzupassen.

Lassen Sie sich das Schmieden von Plänen nicht verderben – machen Sie sie allen Unsicherheiten zum Trotz, aber bleiben Sie flexibel. Plan B, C und D sind wichtiger denn je. Nehmen Sie täglich bewusst etwas wahr, dass Sie bisher als selbstverständlich betrachtet haben – strecken Sie sich und genießen Sie die Beweglichkeit Ihres Körpers, spüren Sie die wärmer werdende Sonne, nehmen Sie bewusst die Luft um sich herum wahr.

Sorgen Sie gut für sich – achten Sie auf regelmäßiges Essen, das Ihnen Kraft gibt, auf Bewegung, auf ausreichende Ruhephasen. Erlauben Sie sich Ablenkung – wie schlimm auch immer die Lage ist, wir brauchen Pausen.

Wenn Ängste und Sorgen Sie stark beeinträchtigen, zögern Sie nicht, sich Hilfe von außen zu suchen.

Kontakt:

Wenn Sie Fragen haben oder ein Beratungsgespräch wünschen, kontaktieren Sie mich bitte unter:

Groh, Angelika Mag.a

Klinische und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin, Beauftragte für studentische Frauenfragen

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