Morgen dann aber wirklich… die Aufschieberitis (Teil 4)

Herzlich willkommen zum vierten und letzten Teil unseres Tutorials!
Inzwischen sind Sie wirklich weit gekommen – sehen Sie Ihre Protokolle der letzten drei Wochen durch und freuen Sie sich darüber, was schon alles erledigt ist.
Hätten Sie das vor drei Wochen erwartet? Wie ist Ihre Haltung dem Projekt gegenüber heute? Welche Veränderungen bemerken Sie?

Im letzten Teil des Tutorials kommen wir zu einem wichtigen Aspekt, der Ihre Arbeitshaltung über das aktuelle Projekt hinaus maßgeblich beeinflussen kann:

Teil 4: Geben Sie der fleißigen Biene eine Chance – Entwicklung eines neuen Selbstkonzepts

Unser Verhalten wird stark davon beeinflusst, wie wir über uns selbst denken. Das Bild, das wir im Lauf der Jahre von uns entwickelt haben, steuert Vieles von dem, was wir tun und wie wir fühlen. Wir haben Erfahrungen mit unserem Verhalten und unseren Gefühlen gesammelt und so einen mehr oder weniger bewussten Eindruck gewonnen: So bin ich, so reagiere ich. Das kann ich, jenes kann ich nicht. Diese Aspekte des Selbstkonzepts sind im Erwachsenenalter recht stabil und bilden eine wichtige Säule der persönlichen Identität.

Einmal aufgebaut, steuert dieses Selbstkonzept unser weiteres Verhalten – die Wahrscheinlichkeit, dass wir „mehr desselben“ tun, einmal etabliertes Verhalten also immer wieder einsetzen, ist groß. Schon allein deshalb, weil wir die Meinung über uns gebildet haben, dass wir eben „so“ sind und dadurch unbewusst die nächste Wiederholung gebahnt wird. So kommt es zu einer zunehmenden Verfestigung, die aber oft darauf beruht, dass wir irgendwann im Lauf des Lebens unsere Aufmerksamkeit nur noch auf diese eine Seite von uns richten und dabei die immer vorhandenen kleinen Hinweise übersehen, dass es auch ganz andere Möglichkeiten für uns gibt.

Diese Meinung über uns selbst ist hartnäckig, aber sie ist veränderbar. Zwei wichtige Ressourcen werden Ihnen dabei helfen: Ihre Vorstellungskraft und die Möglichkeit, Ihre Aufmerksamkeit bewusst zu lenken.

Wenn Sie über lange Zeit Aufgaben immer wieder aufgeschoben haben, hat sich vermutlich dieses Bild in Ihnen festgesetzt und Sie gehen bei neuen Aufgaben schon fast davon aus, dass es wieder so sein wird. In den letzten Wochen haben Sie aber erlebt, dass Sie auch einen anderen Arbeitsstil nützen können. Diese Erfahrung bildet den Grundstein für eine neue Selbstwahrnehmung – wenn Sie ihr genügend Aufmerksamkeit widmen.

Lassen Sie uns aber zuerst ein Gegenbild entwickeln: Wie möchten Sie in Zukunft arbeiten? Fokussiert und mit Energie? Gelassen und strukturiert? Optimal abgestimmt mit den zeitlichen Möglichkeiten? Ich benütze gerne ein Symbol für den erfolgreichen Umgang mit mühevollen Aufgaben – die fleißige Biene.

Die Biene kennt ihre Aufgaben genau. Routiniert fliegt sie jeden Morgen aus, steuert gezielt die richtigen Blüten an, sammelt Pollen und bringt sie in den Stock zurück. Jede Handlung sitzt und ist Teil eines Gesamtkunstwerks. Sie lässt sich nicht durch Zweifel aufhalten, tut, was getan werden muss, geleitet durch einen sicheren inneren Kompass. Sie widmet ihren Aufgaben genau die Zeit, die ihr dafür zur Verfügung steht.

Können Sie sich vorstellen, so vorzugehen? Was würde das für Ihren Arbeitsstil bedeuten? Für die Erfüllung Ihrer Aufgaben?

Lassen Sie – zuerst in der Fantasie – ein neues Bild von sich selbst entstehen: Fokussiert, energievoll, strukturiert, gelassen,…vielleicht mögen Sie die fleißige Biene ja auch – oder Sie wählen ein anderes, eigenes Symbol, das besser zu Ihnen und Ihrer Situation passt. Schwelgen Sie so richtig in dieser neuen Vorstellung von sich – und denken Sie daran: Das Bild, das wir von uns haben, steuert unser zukünftiges Verhalten!

Hier ein paar Anregungen zur Unterstützung:

1.Nehmen Sie sich jeden Tag 5 Minuten Zeit für diese Vorstellungsübung:

Malen Sie sich so deutlich wie möglich aus, wie Sie sich an Ihren Arbeitsplatz begeben und sofort in Ihre Aufgaben einsteigen. Gehen Sie so weit wie möglich ins Detail: Was ist an Ihrem Arbeitsplatz zu sehen? Welche Geräusche nehmen Sie wahr? Spüren Sie, wie sich Ihr Sessel anfühlt, die Tastatur unter Ihren Fingern. Stellen Sie sich vor, wie Ihr Atem ruhig fließt, Ihr Kopf klar wird und Ihre Aufmerksamkeit ganz auf die kommende Aufgabe konzentriert ist. Nichts kann Sie jetzt aufhalten, Sie fangen einfach an. Lassen Sie die Vorstellung zu, wie beim Tun immer mehr Freude an der Arbeit aufkommt. Sie merken, dass es voran geht. Immer leichter und leichter…

2.Erinnern Sie sich so häufig wie möglich an Situationen, in denen Sie entschlossen und fokussiert an Aufgaben gearbeitet haben – solche Situationen gibt es bestimmt: Vielleicht haben Sie diese Arbeitshaltung im Lauf des Tutorials erlebt, vielleicht gibt es aber auch bereits andere ähnliche Erlebnisse.

Lassen Sie auch hier möglichst viele Details auf sich wirken – was haben Sie gesehen, gehört, gespürt? Versetzen Sie sich in Gedanken ganz in diese Situation und lassen Sie sie auf sich wirken.

3.Sammeln oder gestalten Sie Symbole für Ihre neue Arbeitshaltung – Bilder, Gegenstände, Sätze oder Begriffe, die Ihr neues Selbstbild beschreiben.

Platzieren Sie diese Symbole so, dass Sie Ihnen häufig ins Auge springen und so Ihre Gedanken in diese Richtung gelenkt werden. Vielleicht möchten Sie mit einem Bild oder einem Wort an Ihrem Spiegel im Badezimmer beginnen, um jeden Tag gleich morgens an Ihr neues Selbstbild erinnert zu werden?

Nehmen Sie sich täglich einige Minuten Zeit, um Ihr neues Selbstbild wachsen zu lassen. Je öfter Sie sich damit beschäftigen, desto rascher werden Sie Unterschiede bemerken. Insgesamt geht es aber um einen Veränderungs- und Wachstumsprozess, der Zeit braucht, um sich zu festigen - am Ende des Tutorials greife ich noch einmal auf den Anfang zurück: Um Ihre Neigung zum Aufschieben loszuwerden, brauchen Sie Geduld mit sich selbst und die Bereitschaft, sich auf ein paar kleine Experimente einzulassen – aber es lohnt sich!

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Entdeckung neuer Seiten an sich selbst und bei der Entwicklung einer neuen, entspannten, fokussiert-energievollen Arbeitshaltung!


Kontakt:

Wenn Sie Fragen haben oder ein Beratungsgespräch wahrnehmen möchten, kontaktieren Sie mich gerne unter:

Groh, Angelika Mag.a

Klinische und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin, Beauftragte für studentische Frauenfragen

+43 1 720 12 86-213

angelika.groh@fh-vie.ac.at