Morgen dann aber wirklich… die Aufschieberitis (Teil 1)


„…Es wird schön langsam eng. Der Tag ist fast vorbei und ich hab´ wieder nichts geschafft…Dabei hab´ ich mir extra freigenommen…Wenn ich mich jetzt gleich hinsetze, könnte ich zumindest noch ein paar Seiten schaffen…Irgendwie hat das auch keinen Sinn mehr, ich bräuchte mehr Zeit…Mist, warum habe ich nicht gleich nach dem Frühstück angefangen?...Ich bin heute so müde und kann mich nicht konzentrieren…Morgen bin ich vielleicht besser in Form, wenn ich heute früh ins Bett gehe…Ja, das ist ein guter Plan, für heute wird das eh nix mehr. Ich steh morgen früh auf und fange dann gleich an…

Vielleicht kennen Sie das auch? Eine Aufgabe wartet darauf, in Angriff genommen zu werden: eine Arbeit muss geschrieben, für eine Prüfung soll gelernt, eine Präsentation will vorbereitet werden. Nachdem Sie über Stunden mit sich gerungen und letztlich den Kampf verloren haben, fassen Sie den festen Vorsatz, es morgen ganz bestimmt und mit viel Energie anzupacken – mit spürbarer Erleichterung, es für heute sein lassen zu dürfen…


Herzlich willkommen zu einem 4-teiligen Tutorial zum Umgang mit ungeliebten Aufgaben!

In unterschiedlichen Abstufungen kennen wir dieses Muster alle – und es hat einen wissenschaftlichen Namen: „Prokrastination“ wird die „Aufschieberitis“ offiziell genannt, aus dem Lateinischen das „Vertagen“ oder „Verschieben auf morgen“. Wiederholt sich dieser Wechsel von Vorsatz und Verschieben immer und immer wieder bis es dann fast zu spät ist? Nehmen Anspannung und Unbehagen Ihnen die Möglichkeit, sich zu erholen? Bearbeiten Sie Ihre Aufgaben oft erst unter größtem zeitlichen Druck mit hoher Stressbelastung - und dann manchmal auch qualitativ nicht so, dass Sie mit sich zufrieden sind? Was ab und zu als Atempause im Strudel der Verpflichtungen durchaus sinnvoll sein kann, wird quälend, wenn es zur Gewohnheit und damit zum Verhaltensstil wird. Das chronische Aufschieben von Aufgaben ist wohl eine der am meisten verbreiteten und hartnäckigsten Schwierigkeiten, von denen Studierende – und nicht nur sie – geplagt werden. Sie haben oft versucht, es beim nächsten Mal rechtzeitig und mit mehr Ruhe anzugehen - und sind doch immer wieder in das alte Muster zurückgefallen? Sie verstehen nicht, warum Sie sich selbst immer wieder in die Falle gehen?

Beim Bewältigen von Aufgaben geht es nie nur um die Aufgabe an sich. Neben Verstand und Fähigkeiten sind immer auch stark wirksame Emotionen im Spiel, die unser Verhalten steuern – mit diesem Thema werden wir uns nächste Woche ausführlicher beschäftigen. Was Sie darüber heute schon wissen müssen: Um Ihre Neigung zum Aufschieben loszuwerden, brauchen Sie Geduld mit sich selbst und die Bereitschaft, sich auf ein paar kleine Experimente einzulassen – aber es lohnt sich!


Folgende Vorgehensweise hat sich auch bei hartnäckigen Fällen bewährt - ich möchte Sie einladen, mir in diesem Tutorial über vier Wochen zu folgen und meine Vorschläge auszuprobieren. Wir beginnen heute mit Teil 1. Teil 2, 3 und 4 folgen jeweils im Abstand von einer Woche.

  • Teil 1: Machen Sie den ersten Schritt…am besten sofort!
  • Teil 2: Warming Up – den Schwung erster Erfolge nützen
  • Teil 3: mentalen Hubschrauber starten und persönlichen Arbeitsstil finden
  • Teil 4: Geben Sie der fleißigen Biene eine Chance – Entwicklung eines neuen Selbstkonzepts


Teil 1: Machen Sie den ersten Schritt…am besten sofort!
Wussten Sie, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Vorhaben tatsächlich in die Tat umzusetzen, umso größer ist, je weniger Zeit zwischen dem Vorsatz und dem ersten Schritt liegt?
Wählen Sie also am besten jetzt! einen aktuellen „Aufschiebefall“ aus – eine Seminararbeit, die Sie vor sich herschieben, die Vorbereitung für eine Prüfung, die schon längst hätte beginnen sollen…Ein Projekt, das Ihnen im Magen liegt, das aber nicht schon übermorgen abgeschlossen sein muss. Wie gesagt, wir brauchen ein bisschen Zeit.
Legen Sie für jeden Arbeitstag der nächsten Woche (mindestens einen Ruhetag einplanen!) einen Zeitraum von 25 Minuten fest, die Sie diesem Projekt widmen werden. Nur 25 Minuten, diese aber ganz konkret, z.B. Tag 1: 15:30 bis 15:55, Tag 2: 14:00 bis 14:25, usw. Machen Sie eine Notiz in den Kalender, stellen Sie einen Timer, ganz wie Sie mögen – aber stellen Sie sicher, dass dieser Zeitraum deutlich markiert und reserviert ist.
Für die ersten 20 Minuten beschäftigen Sie sich mit dem ungeliebten Projekt - ganz egal wie: Öffnen Sie eine Datei, um die Sie sonst einen großen Bogen machen und sichten Sie den Inhalt, suchen oder lesen Sie ein Stückchen der notwendigen Literatur, schreiben Sie ein paar Stichworte, formatieren Sie das Inhaltsverzeichnis, formulieren Sie Sätze um…
Egal, was Sie tun oder wie sinnvoll es erscheint – wichtig ist nur, dass Sie am Projekt bleiben. Halten Sie bitte unbedingt den Zeitrahmen ein – nach 20 Minuten ist Schluss! Die letzten 5 Minuten dienen dazu, zu notieren, was Sie in den vorhergegangenen 20 getan haben – so, dass über die Woche ein kleines Protokoll entsteht. Heben Sie dieses Protokoll für später auf. Damit haben Sie für diese Woche alles erledigt und können entspannen!

Lesen Sie nächste Woche: Teil 2: Warming Up – den Schwung erster Erfolge nützen


Kontakt:

Bei Fragen kontaktieren Sie mich gerne direkt unter:

Groh, Angelika Mag.a

Klinische und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin, Beauftragte für studentische Frauenfragen

+43 1 720 12 86-213

angelika.groh@fh-vie.ac.at